Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen by Stephanie Fey

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen by Stephanie Fey

Autor:Stephanie Fey
Die sprache: de
Format: mobi
Tags: Thriller
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2011-09-04T22:00:00+00:00


30.

»Krieg ich den für immer?« Sandro war begeistert, als er Gandhi am Fahrradständer vorm Kindergarten entdeckte. Einen Hund hätte er sich schon immer gewünscht. Er umhalste ihn, tastete den schwarzen Fleck ums Auge des Hundes ab, so als sei er aufgemalt. »Wieso ist sein Maul in einem Käfig?«

»Damit er nicht aus Versehen jemanden beißt, wenn es eng wird in der S-Bahn«, erklärte Carina.

Sandro presste sich mit den Fingern die Lippen zusammen, um auszuprobieren, wie sich ein versperrter Mund anfühlte. »Und wie frisst und trinkt er dann?«

»Zu Hause nehmen wir ihm den Maulkorb ab«, versprach sie. »Aber erst mal gehen wir einkaufen, was magst du?«

»Schokolade, Gummibärchen, Salamiwurst in der Tüte und gaaanz viel Eis.«

In der Wohnung lockerte Gandhi seinen Kiefer, als Carina den Maulkorb löste, und bellte los. Dann jagten er und Sandro um die Wette durch die Zimmer. Ihr Neffe auf Socken klimperte beim Laufen. An den Gürtelschlaufen seiner Hose war Spielzeug befestigt. Bald wusste sie nicht mehr, wer wem folgte. Eine Eisspur und irgendetwas Wässriges, das sich hoffentlich nicht als Hunde- oder Kinderpipi entpuppte, glänzten auf den Dielen. Sie hatten zusammen eine Pizza und Schokoladenpudding aus Plastikbechern gegessen und Limonade getrunken. Vielleicht sollte sie sich doch bald um einen Ofen kümmern, um wenigstens ab und zu mal selbst kochen zu können. Mit einem Getreidekaffee aus dem Boilerwasser setzte sie sich auf die Isomatte und versuchte sich trotz des kläffenden Hundes und des kreischenden Neffen auf die Akte Salbeck zu konzentrieren.

Bei Reinigungsarbeiten am Wehrrechen nahe der Großhesseloher Brücke hatte man im April 1997 einen Leichnam entdeckt. An einem Vordruck, der Umrisszeichnung einer Frau, dokumentierte die Feuerwehr die schwierige Bergung, markierte darauf auch die Schäden durch die Baggerschaufel und die Bergungsgeräte, maß die Isartemperatur an der Oberfläche und am Grund. Sie sicherten ein ganzes Arsenal an möglichen Tatwerkzeugen, aber auch Säcke, Schnüre, Steine, die dazu gedient haben konnten, den Körper unter Wasser zu halten. Der Bauchraum des Leichnams war beschädigt, den Schädel fand man erst einige Stunden später im Schlamm. Ob die Frau angetrieben worden oder an dieser Stelle zu Tode gekommen war, ließ sich nicht mehr feststellen. Das nächste Wehr lag 1,8 km entfernt. Carina wusste, dass die Klärung der Todesursache bei einer Wasserleiche am schwersten war, weshalb viele Täter das Wasser nutzten, um ein Opfer zu entsorgen. Laut Obduktionsbericht wurde die Leichenliegezeit auf mehrere Monate geschätzt. Den stark verwesten Körper bedeckte ein Algenrasen. Löcher in der verbliebenen grün-schwarz verfärbten Haut deuteten auf Tierfraß durch Fische und Seevögel hin. Die fünfundzwanzig- bis fünfunddreißigjährige Frau starb vermutlich im Herbst 1996.

Carina betrachtete die angehefteten Fotos. Der Leichnam war nackt bis auf einen schwarzen Slip. Dann mussten die Fotos gemacht worden sein, nachdem die Kleidung oder die Kleidungsreste der Leiche ausgezogen worden waren. Eigentlich unüblich. Zuerst dokumentierte ein Tatortfotograf immer die Auffindesituation, und danach wurde auch das Auskleiden festgehalten. Carina blätterte in der Akte. Dort stand unter Bekleidung/Schmuck nur der Slip. Erst weiter hinten, als es um die Personenbeschreibung der vermissten Rosalia Salbeck ging, wurde ein geblümter Baumwollrest genannt, den Luise Salbeck als den Rock ihrer Schwester erkannte.



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